Warum heißt die Ferienwohnung „Blaue Blume“?

Die blaue Blume steht für Sehnsucht und Liebe. Meine Großeltern kauften und bezogen das wunderschöne Fachwerkhaus 1942 und lebten hier bis zur Republikflucht 1952. Mein Vater war damals 11 Jahre jung und erlebte die Flucht als ein sehr traumatisches Erlebnis. Auf der Insel Borkum traf mein Vater auf seine „blaue Blume“, meine Mutter, die Liebe seines Lebens. 1989, nun war ich 11 Jahre jung, fiel die Mauer und mein Vater zeigte uns zum ersten Mal seine Geburtsstadt Eisenach. Im Laufe der Jahre zog meine Familie ganz nach Eisenach. Als Architekt ließ mein Vater mit viel Liebe zum Detail über zwei Jahre lang das Fachwerkhaus aufwendig sanieren, denn das Elternhaus war auch eine „blaue Blume“ für ihn.

Zur Geschichte des Hauses

Die Anfänge 1914 – Vom Turnsaal des Mädchenpensionats zum Hühnerstall

Das Haus wurde 1914 vom Architekten und Zimmermeister Arno Gunkel als Dependance für das gegenüberliegende Töchterpensionat errichtet. In den Räumlichkeiten der jetzigen Ferienwohnung befand sich der Turnsaal für die jungen Damen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Töchterpensionat aufgelöst, das Fachwerkhaus veräußert und fortan als Wohnhaus genutzt. Nach einhelliger Meinung aller späteren Bewohner wies der Turnsaal allerdings eine “blöde Größe” auf, um ihn anderweitig nutzen zu können. So diente er fortan als beliebtes Spielparadies für die Kinder des Viertels bei schlechtem Wetter. Er war gefüllt mit alten Möbeln, Kisten, Brettern und sogar ein Hühnerstall fand seinen Platz darin.

Die Kriegsjahre & das Kriegsende – Zahnarztpraxis

Über die Jahre wechselte das Haus mehrfach die Eigentümer. Am 01. April 1942 ging es für 32.000 Reichsmark in das Eigentum meiner Großeltern väterlicherseits über. Meine Großmutter hatte in weiser Vorausahnung bereits im Sommer 1944 die Einrichtung der Zahnarztpraxis meines Großvaters aus der Stadt in das Haus in der Wernickstraße 7 holen lassen. Gegen Kriegsende schlug eine Granate in die frühere Praxis in der Stadt ein. Außer zerstörten Fensterscheiben (bis auf zwei Ausnahmen) blieb das Fachwerkhaus glücklicherweise von größeren Zerstörungen verschont. Nach kurzer amerikanischer Kriegsgefangenschaft nahm mein Großvater seinen zahnärztlichen Dienst hier in der Wernickstraße 7 auf. Bei Stromausfall kam eine fußbetriebene Bohrmaschine zum Einsatz, weshalb manch ein früherer Besucher dieses Haus sicherlich eher in schmerzhafter Erinnerung behielt.

Die ersten Nachkriegsjahre – Welcher Idiot hat dieses Haus gebaut?

Im Sommer 1945 wäre das Haus fast für einen sowjetischen Offizier beschlagnahmt worden, doch meine Großmutter ließ rechtzeitig einen Großteil der Möbel in den Kohlekeller schaffen und führte den russischen Offizier, den Dolmetscher und deutschen Verbindungsmann absichtlich auf merkwürdig umwegigen Pfaden durch das spärlich möblierte Haus. Zuerst ging es die Treppe hinauf, durch ein Zimmer, die Bodentreppe hinauf, dann wieder hinab, über die Terrasse heraus, an der Diele vorbei, einige Stufen hinab zum Vorpodest des Turnsaals, dort wieder einige Stufen herunter… Der genervte russische Offizier verabschiedete sich sodann schnell mit dem Satz: “Welcher Idiot hat dieses Haus gebaut?”. Die Beschlagnahmung war somit abgewendet. Laut den Erzählungen meines Vaters fanden in den folgenden Jahren bis zur Flucht aus der DDR rauschende Faschingsfeste im Elternhaus statt. Dafür wurde Jahr für Jahr vorab fleißig gewerkelt und gemalert, einmal gar eine Rutsche in das Treppenhaus gebaut. Das Mansardgeschoß wurde in einen Himmel verwandelt, über die Rutsche im Treppenhaus gelangte man zur Erde und von dort weiter in den Luftschutzkeller, in die Hölle.

 

Die Jahre der DDR-Diktatur – Zerfall des Hauses

Nachdem meine Großeltern mit ihren beiden Kindern “unter Nichtbeachtung der polizeilichen Meldevorschriften das Gebiet der DDR” im Sommer 1952 verließen, ging das Haus in die Verwaltung der Stadt über. Für 4.771,45 Mark verkaufte die Behörde Möbel, Hausrat und Sachgegenstände und das Hausgrundstück wurde am 24.04.1953 Volkseigentum. Bis Anfang der 1970er Jahre wechselten häufig die Bewohner des Hauses. Ab 1971/1972 bewohnten ein Major und ein Hauptmann der Grenztruppe mit ihren Familien jeweils eine Etage. Im Laufe der Jahre fanden Umbauten im Haus statt, unter anderem entstanden aus der einst großen Diele fünf kleine Zimmer. Bereits zu Kriegs- und Nachkriegszeiten bestand ein Sanierungsbedarf. Ende der 1980er Jahre befand sich das Haus dann in einem unhaltbar desolaten Zustand.

Die Jahre seit der Wiedervereinigung –Tristesse ade!

Im Jahr 1990 stellte mein Vater, Arnd Kniese, den Antrag auf Rückübertragung, dem am 02.10.1992 stattgegeben wurde. Die aufwendige und kostenintensive Sanierung des Fachwerkhauses zog sich über zwei Jahre hin und war aus kaufmännischer Betrachtung gelinde gesagt „Schwachsinn“, so der O-Ton meines Vaters. Mein Vater legte als Architekt großen Wert auf eine möglichst originalgetreue Sanierung. Einige Änderungen gab es natürlich, unter anderem eine verbesserte Wärmedämmung, und aus den vermutlich ursprünglich hellgrauen Balken und ockergelben Gefachen außen, wurden lebensfrohe hellblaue Balken und weiße Gefache. Fortan hieß und heißt es: Tristesse ade! Seit 1996 ist das hübsche Fachwerkhaus als ein städtebaulich-wissenschaftliches Kulturdenkmal eingestuft.

2025 – Vom einstigen Turnsaal und Hühnerstall zur Ferienwohnung

Meine Eltern ließen den Turnsaal zunächst in ein Apartment umbauen. Es diente in den ersten Jahren als Übernachtungsort für Freunde und Familienangehörige, bevor es zunehmend ab den 2020er Jahren wieder als Abstellraum genutzt wurde – bis zum Sommer 2023. Ich beschloss aus meinem frühen Kindheitswunsch Realität werden zu lassen. In meiner Freizeit entrümpelte ich das Apartment, tauschte Lampen, Bilder, Türgriffe, Rauchmelder und vieles mehr aus, ließ die Küche komplett erneuern und machte auch vor Veränderungen im Garten nicht halt. Es ist kein B&B in einem Cottage in Schottland geworden, dafür eine bezaubernde Ferienwohnung mitten im malerischen Südviertel von Eisenach.

Letztendlich dauerte es 111 Jahre, um für den “Turnsaal” mit der „blöden Größe“ eine sehr schöne und sinnvolle Nutzung zu finden.

Herzlich willkommen in der Ferienwohnung “Blaue Blume”!